Freitag, 8. April 2011

Muxia - Finisterre

Mittwoch Abend genoss ich den Sonnenuntergang in Muxia. Am Donnerstag Morgen lief ich los in Richtung Finisterre. Mit drei verschiedenen Karten (ich frag mich wer die gemalt hat und was die Zeichner davor getrunken haben - die Karten wiedersprechen sich selbst) versuchte ich den Weg zu finden was sich als Herausforderung darstellte. Und auch die Zeichen am Wegesrand waren nicht immer eindeutig. Ich glaub ich bin ziemlich im Salat umhergelaufen aber immerhin wusste ich dass die Richtung stimmt (nach Sueden). Unterwegs fruestuecke ich an Nemina an der Kueste - in einem kleinen Holzboot sitzend - meine Bananen und leckeres Frischkaesebrot.
Von Muxia nach Fisterre sind es etwa 30 Kilometer (da wollte ich mich ja nicht unbedingt noch zusaetzlich verlaufen ;-)) + zusaetzlich verlaufene Kilometer + der Weg ans Kap und zurueck + an den Strand und zurueck = etwas ueber 40 gelaufene Kilometer an einem Tag.
Wow bin ich stolz :-)
Ich hab mich vor der Reise gefragt, ob ich das schaffen koennte und nachdem ich mich von dem Gedanke schon verabschiedet hatte, "lief" es einfach so und von alleine.
Gestern Abend bzw. Nacht war ich sowas von ueberdreht - ich konnte kaum Ruhe finden und waere am liebsten ewig weitergelaufen (und das sagt ein Coachpotato).

In Fisterre traf ich gestern Ursel wieder - ich freute mich sehr, ist ja schon eine Weile her seit wir uns gesehen haben. Wir liefen gemeinsam ans Kap und sahen uns den Sonnenuntergang an und verbrannten mit ein paar anderen Leuten zusammen jeweils ein Kleidungsstueck. Das ist Brauch hier - das alte Leben wird abgeschlossen, ein Neues angefangen.

Und nachher laufe ich gleich an den Strand und nehme ein Bad - auch das ist Brauch. Nach der langen Pilgerreise wuschen sich die Pilger seit jeher im Meer. Ist ja auch Zeit nach fuenf Wochen schwitzen ;-)))

Vor Santiago

Samstag bis Dienstag bin ich mit Anu aus Kanada unterwegs. Sie ist Aerztin von Beruf und gibt mir wertvolle Tipps gegen meine Fussprobleme. Fie aus Daenemark erklaert mir, wie ich die Wanderschuhe besser binden kann ("Die Schuhe und du sollen eins werden"). Haette ich das alles nur schon frueher gewusst ;-)
Meine Fussprobleme werden von Tag zu Tag weniger.
Anu laeuft am Dienstag Nachmittag noch nach Santiago. Ich entscheide mich in Monte do Gozo (Berg der Freude) zu bleiben um am Mittwoch Morgen ganz entspannt die letzten 5 Kilometer nach Santiago hineinzulaufen. Es ist ein schoenes Gefuehl, wenn man von Monte do Gozo aus zum ersten Mal auf Santiago blicken kann.

Mittwoch Morgen laufen Andre, Edgar und ich gemeinsam in die Stadt. Um 12 Uhr gingen wir zur Pilgermesse und ich bin anschliessend weiter mit dem Bus nach Muxia an die Atlantikkueste.

Mittwoch, 6. April 2011

Santiago de Compostela

Heute Morgen bin ich endlich nach 520 gelaufenen Kilometern in Santiago angekommen. Ich bin total gluecklich darueber - vor allem weil ich vor einer Wochen wegen meiner Fussschmerzen noch dachte, dass ich die Reise abbrechen muesste. Und nun ist es von Tag zu Tag immer besser "gelaufen". Bin gerade mit dem Bus in Muxia am Atlantik angekommen. Morgen habe ich noch 30 Kilometer Atlantikkueste vor mir bis nach Finisterre (ans Ende der Welt). Und nachher den Sonnenuntergang :-)

Mir geht es sehr gut hier :-)

Sobald ich Zeit habe, erzaehle ich euch mehr ueber die Erlebnisse der letzten Tage. So, nun muss ich aber loslaufen auf den Berg, damit ich nen guten Platz fuer den Sonnenuntergang habe ;-)

Samstag, 2. April 2011

Wie es weiterging...

Nachdem ich zuletzt Dienstag von der Bar aus geschrieben hatte, habe ich mich noch die restlichen 3,5 Kilometer nach Triacastella geschleppt. Es war furchtbar. Ich hatte hoellische Schmerzen in den Fuessen, es regnete, ich konnte nirgends hinsitzen und musste immer wieder in die Hocke gehen um meine Fuesse zu entlasten. Dann waere ich dabei beinahe nach hinten in den Dreck umgefallen und dann war ich schrecklich wuetend und verzweifelt. Traenenreich kaempfte ich mich die letzten Kilometer nach Triacastella - langsam wie eine Schnecke. Triacastella ist kein grosser Ort, zieht sich jedoch ziemlich in die Laenge. Endlich im Ort fand ich dann einen trockenen Platz an dem ich kurz Rast machen konnte. Dann bin ich wieder weiter und ploetzlich sehe ich zwei Maenner winkend auf mich zulaufend. Edgar & Andre - zwei Schweizer die ich die letzten Tage immer wieder getroffen habe. Ich war so froh sie zu sehen. Es war so lieb - die beiden haben sich den Nachmittag ueber Sorgen gemacht und sich gefragt, wo ich wohl bleiben wuerde und haben dann beschlossen, mir entgegen zu laufen. Sie haben mir den Rucksack und die Stoecke abgenommen und wir sind dann zur Herberge gelaufen. Essen haben sie auch schon eingekauft (auch fuer mich) und dann habe ich ein Bad genommen (ja, die erste Badewanne die mir ueber den Weg gelaufen ist), waehrend die Beiden zur Apotheke sind um ein paar Dinge zum Verarzten meiner fiesen Fussblase zu holen. Das ist so schoen hier auf dem Jakobsweg: Man begegnet fremden Menschen und erlebt so viel Hilfsbereitschaft, Achtsamkeit und Fuersorge.

Am naechsten Tag will ich wieder laufen - barfuss ging das auch noch, doch kaum stecke ich in den Wanderschuhen brennen meine Fuesse so arg, dass ich mich fuer einen Tag Pause und Taxifahrt entscheide (es fuhr nur ein Bus am Tag und der war schon fort). In Sarria angekommen gehe ich einkaufen (neue, bessere Schuheinlagen und Essen). Die Herberge ist wunderschoen - mit parkaehnlichem Garten, Dachterrasse, grosser Feuerstelle und in einem herrschaftlichen Haus. Abends koche ich fuer Andre, Edgar und mich. Meine Fuesse tun immer noch weh - einkaufen und in der Kueche stehen sind fuer den Tag genug. Abends sind meine Fuesse dann noch so sehr angeschwollen, dass ich davon ausgehe, das Wandern nun ganz abbrechen zu muessen.
Wir verbringen einen schoenen Abend, der Hospitalero macht ein Feuer und versorgt uns grosszuegig mit Likoer.

Wieder erwarten habe ich Donnerstag Morgen leichte Fuesse. Ich verabschiede mich von Andre und Edgar - sie laufen heute nach Portomarin und 23 Kilometer sind mir zu weit. Ich beschliesse einfach loszulaufen - soweit mich die Fuesse tragen. Die Umgebung wird immer schoener. Es geht bergauf, vorbei an saftigen huegeligen Weiden die mit Steinzaeunen umgeben sind. Wahnsinnig idyllisch. Baeche, Fruehlingsblumen, Sonnenschein... wunderschoen. Vorbei an einem Gedenkstein. Vor einem halben Jahr ist Georg hier verstorben. Ich kennen ihn nicht - aber ich habe ja nun Zeit und es nicht eilig und so pfluecke ich ihm ein paar Blumen. Nach 14 Kilometer komme ich oben in Ferreiros an. Ich entdecke einen Liegestuhl auf einer Wiese und fuehle mich wie im Himmel. Abends sehe ich mir den traumhaften Sonnenuntergang an und danach esse ich mit Margret, Gerd, Toni und mit Ole aus Daenemark.

Freitag war wieder ein wunderschoener Tag. Es beginnt mit einem wunderschoenen Sonnenaufgang, ich laufe durch Waelder, vorbei an Bluemen und bluehenden Straeuchern, Landluft und ich sehe stundenlang keinen einzigen Pilger. Erst am Nachmittag ueberholt mich ein Muenchner der mir ein Croissant schenkt. Nachmittags komme ich in der Herberge an und stellt euch vor - die haben einen Behindertendusche (hab ich mir vor ein paar Tagen herbeigeseht). Nicht dass ich das unbedingt braeuchte... aber wenn die Fuesse weh tun, ist es einfach wundervoll unter der Dusche zu sitzen.
Abends esse ich gemeinsam mit Fabio aus Italien und Anna aus Prag.

Heute Morgen fruehstueckte ich mit Anna. Wir haben uns ganz nett unterhalten, dann liefen wir los. Anna laeuft sehr schnell uns so verabschiedeten wir uns. Ein paar Kilometer spaeter - Am Kilometerstein 78.1 (Kilometer bis Santiago) ist ein Zettel eingeklemmt. Eine Nachricht? Fuer mich? Ja, fuer mich! Anna hat dort eine nette Nachricht fuer mich hinterlassen ueber die ich mich sehr sehr freue. Es gibt immer wieder allgemeine Nachrichten (z. B. You'll never walk alone) und ganz selten persoenliche Nachrichten - und dass ich eine persoenliche Nachricht bekommen wuerde - damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin sehr geruehrt.
Spaeter mache ich Mittagspause und Anu aus Kanada fraegt mich ob ich mich zu ihr setzen will. Mit ihr laufe ich nun die restlichen 8 Kilometer des Tages.

Es geht mir im Moment sehr gut und ich bin dankbar fuer die schoenen vergangenen Tage und die Erlebnisse auf dem Weg. Seit ich beschlossen habe, dass nicht die zurueckgelegten Kilometer zaehlen und ich mir Zeit lassen werde und die Erlebnisse und Begegnungen auf dem Weg das sind was wirklich zaehlt - seither geht es meinen Fuessen besser. Am Montag werde ich mich in Santiago mit Birte und Manuel treffen. Ich werde den Weg nicht mehr ganz zu Fuss gehen. Aber das ist ok fuer mich. Was fuer mich nun zaehlt sind die Begegnungen und die Menschen :-)
Und darueber bin ich sehr gluecklich.

Obwohl ich eigentlich alleine unterwegs bin, hatte ich schon lange nicht mehr so viel Gesellschaft bzw. noch nie so viel Gesellschaft wie hier. Vor meiner Reise dachte ich "hoffentlich sehe ich mal jemand". Das hier ist das Gegenteil von Einsamkeit. Und wenn man alleine unterwegs ist, dann lernt man staendig neue Menschen kennen - und das ganz international. Ganz viele Menschen mit ganz interessanten Lebenslaeufen.
Ich denke ueber alte Urlaube mit Partner nach - hier habe ich keinen obligatorischen Urlaubsstreit, keine Langeweile, kein Anschweigen, keine Erwartungen oder nicht mehr Wissen was sich erzaehlen... Ich fange an dass Single-Sein zu lieben und werde bestimmt noch oft alleine in Urlaub fahren. Bestimmt bald auch wieder nach Spanien um die Wege zu gehen, die ich Fusstechnisch nicht gehen konnte.

Liebe Gruesse aus Spanien