Sonntag, 17. Februar 2008

Mein Leben in Alice Springs...

3. Februar
Heute haben wir uns den Royal-Flying-Doctor-Service angesehen. Dieser Service gewährleistet die gesundheitliche Versorgung der Menschen im Outback. Insgesamt hat der RFDS ein Wirkungsgebiet von ca. zwei Dritteln Australiens. Der Standort in Alice Springs ist für einen Umkreis von 600 Kilometern zuständig. Der RFDS unterscheidet in drei Dringlichkeitsbereiche. Je nach Bedarf wird telefonische Hilfe geleistet, oder eine Krankenschwester und/ oder Arzt fliegt zum Patienten. Kürzlich wurde sogar ein Baby in der Luft geboren. Das kommt nicht allzu oft vor, das letzte Mal vor ca. 10 Jahren.



9. Februar
Heute war der Tag der 100 Mangos. Die habe ich nämlich geschält und zerkleinert. Von außen sahen die ja recht hässlich und nicht mehr ganz so frisch aus. Von innen waren es köstliche, reife Früchte. Ich musste mich echt beherrschen, dass ich nicht die ganze Zeit naschte. Es war so eine richtig schmierige Arbeit, ich kam mir vor wie ein Arzt, der mit irgendwelchen Herzen herumhantiert. Dabei kam mir auch noch die Idee (ich war etwas betäubt vom süssen Mangoduft), dass man ja eine Mango mal röntgen könnte. Die Steine innen sind einfach so diffus und ungreifbar. Wo hören sie auf, wo fangen sie an?

10. Februar Ghan-Museum
Der diesmalige Sonntagsausflug führte uns zum Ghanmuseum. Hier sind einige alte Zugwaggons, unter anderem auch Freiluftwaggons ausgestellt.



11. Februar
Heute lädt mich meine Arbeitskollegin Laura zu ihrer „tapawär“-Party ein. Da musste ich gleich noch mal nachfragen, „was für eine Party?“. Aha, Plastikgeschirr, dass ewig hält. Tupperware, ich verstehe. Ich finde es cool, mal einen Abend nur unter Australierinnen zu sein. Es war ein witziger und netter Abend. Leider habe ich bei den zwei Ratespielen – einmal ging es um australische Obstsorten und einmal um Schokoriegel – nichts gewonnen, kann aber doch behaupten, als beste Deutsche dort abgeschnitten zu haben (einmal 1 Punkt von 9 und einmal 3 Punkte von 16…hüstel). Bestellt habe ich nur eine kleine Knoblauchpresse. Diese Anschaffung wird sich lohnen, bei den Mengen die Boris und ich als vertilgen. In letzter Zeit habe ich es wegen meiner Arbeit etwas eingeschränkt. Aber davor gab es Minimum 1-2 Knoblauchzehen pro Person und pro Tag (und danach bestimmt auch wieder). Ist einfach total fein!

13. Februar
Heute entschuldigte sich der neugewählte Premierminister Kevin Rudd in einer Rede vor dem australischen Parlament für das den Aborigines während zwei Jahrhunderten angetane Unrecht. Dies ist die erste formelle Entschuldigung Australiens. Morgens sehe ich die Rede im Fernsehen. Sie laeuft auf allen Kanaelen.

Hier ein Bericht aus http://www.swissinfo.ch/:
"Sydney - Australiens Regierungschef Kevin Rudd hat sich bei den Ureinwohnern seines Landes entschuldigt. In einer Rede vor dem Parlament bat Rudd die Aborigines um Verzeihung für das Unrecht, das ihnen in zwei Jahrhunderten weisser Siedlerherrschaft angetan wurde.Bis in die 70er Jahre waren Kinder von Aborigines gewaltsam ihren Familien weggenommen worden. Die Regierungsbehörden platzierten die Kinder in Heimen oder Pflegefamilien, um die Eingliederung der Aborigines-Nachkommen in die weisse Gesellschaft zu fördern.Rudds im November gewählte Mitte-links-Regierung bemüht sich um eine Verbesserung der Beziehungen zu den Aborigines, die heute noch 470 000 von 21 Millionen Einwohnern von Australien ausmachen. Rudds Vorgänger im Amt hatten eine Entschuldigung stets abgelehnt.Stammesälteste der Aborigines veranstalteten am Dienstag auf Einladung des Premierministers im Parlament erstmals eine Begrüssungszeremonie für die neue Regierung. Das Ritual leitete Matilda House-Williams, die Stammesälteste der Ngambri, auf deren früherem Siedlungsgebiet das Parlamentsgebäude steht."

14. Februar Boris geht für eine Woche auf Montage
Boris arbeitet seit fast vier Wochen als Zimmermann. Die Stahlgebäude werden auf fertige Betonfundamente gebaut. Sobald diese fertig sind, erfolgt der Transport (in Australien sind solche riesigen Transporte ohne weiteres möglich) zum Bestimmungsort. Das sind Drogenentzugsstationen von Communities der Aboriginies die circa 400 Kilometer von Alice Springs Nahe des Uluru gelegen sind. Heute ist Boris zusammen mit seinem Chef Dave für eine Woche in eine Community gefahren. Ich bin schon sehr gespannt, was er zu erzählen hat wenn er zurückkommt. Natürlich hoffe ich, dass dort alles gut klappt und er fit wieder zurückkommt. Dave ist ein recht schussliger Handwerker, der sich beinahe täglich Verletzungen zuzieht… Hauptsache er hält Boris da raus!

15. Februar
Ich gehe im Supermarkt einkaufen. Nachdem ich bezahlt habe und durch die Türe gehe, heult ein wahnsinniger Pfeifton auf. Scheisse, ich bin durch die Notausgangstüre gelaufen. Schnell weg hier… aber wieso müssen die auch direkt nach der Kasse einen Notausgang machen und nicht den normalen Ausgang? Super Organisation hier!!
Abend telefoniere ich mit Boris. Er und Dave sind die einzigen Weißen auf Aboriginal Land. Er erzählt mir, dass es in dem Dorf mit ca. 1000 Einwohnern sehr verdreckt ist. An den Strassen liegt überall Müll herum, viele ausgebrannte Autos stehen herum und es gibt auch immer wieder Messerstechereien dort. Glücklicherweise kann er in einem eingezäunten Gebäude der Drogenentzugsstation übernachten und ist dort einigermaßen sicher untergebracht.

Ich mache mir schon immer wieder Gedanken über Aboriginies und alle anderen Australier. Es fällt mir schwer, dazu eine Meinung zu bilden. Ich denke mir fehlt dazu einfach zuviel Hintergrundwissen und ich will auch nicht einfach andere Menschen verurteilen. Leider haben die meisten Aboriginies auf mich bisher wenig beeindruckend sondern eher abschreckend gewirkt. Die Aboriginies die auf mich positiv gewirkt haben, kann ich an einer Hand abzählen. Die meisten anderen fielen eher durch ihren penetranten Geruch – als hätten sie seit Wochen nicht mehr geduscht - und ihr meist schroffes Verhalten auf. Viele haben Alkohol- und Drogenprobleme und oft sitzen Sie einfach den ganzen Tag auf Wiesen und in Parks herum. Leider kann nicht nicht sagen, wie groß der Anteil derer ist die einem geregelten Leben nachgehen und derer die abgestürzt sind. Die Problembeladenen fallen auf und von den anderen bemerkt man kaum etwas.

Ich habe auch schon ein paar Australier gefragt, wie sie das Ganze sehen: Die Aboriginies bekommen wohl sehr viel Geld vom Staat. Sozusagen als Wiedergutmachung. Das Geld ist so viel, dass sie nicht Arbeiten gehen müssen und daher die meiste Zeit herumsitzen können. Ich glaube soviel herumsitzen tut doch keinem gut. Die ersten zwei Monate in Australien habe ich ja auch frei gehabt und hatte nichts zu tun. Mit der Zeit kam ich in einen richtigen Langweiligkeitstrott hinein, lies mich hängen und fing an zu schlurfen. Boris behauptet sogar ich hätte beim Essen schon geschmatzt (peinlich, peinlich) - und eben, bei mir waren es ja nur zwei Monate. Aber das ganze Leben nicht tun? Als ich dann wieder Arbeit hatte, habe ich mich darüber sehr gefreut und es ist schoen, wieder eine Aufgabe zu haben. Ich denke Menschen brauchen eine Aufgabe in Ihrem Leben.

Eine Frau sagte mir, dass viele Aboriginies die negativen Dinge der Weißen übernommen hätten wie zum Beispiel Alkohol, Drogen, etc. Die positiven Dinge wie zum Beispiel einer Arbeit nachgehen, sich selbst etwas aufbauen – dass haben leider nicht viele übernommen. Ihre eigene Kultur ging im Grossen und Ganzen verloren aber sie leben auch nicht die Kultur der anderen Menschen hier. Ich bin irgendwo im Zwiespalt: Die einen schrecken mich ab, dann mein Mitgefühl für das was Ihnen an Kultur und auch Land verloren ging und Bewunderung für die Anderen die es in dem neuen System zu etwas gebracht haben. Zum Beispiel gibt es hier einen Aboriginie der sich selbständig gemacht hat. Er hat eine Sicherheitsfirma aufgebaut. Da er und seine Mitarbeiter zu den anderen Aboriginies – die oft Probleme machen – schneller einen Draht finden, ist er wesentlich erfolgreicher als andere Sicherheitsunternehmen.

Immer wieder werde ich gefragt, ob mein Englisch mittlerweile perfekt ist. Leider muss ich euch enttäuschen. Mein Talent liegt einfach eher im Zahlenbereich. Ich kann mich schon recht gut verständigen, aber oft fehlen mir Worte und das mit der Grammatik und den Zeiten bring ich immer wieder durcheinander. Beim Arbeiten klappte es aber recht gut. Die meisten Leute sprechen deutlich genug. Hin und wieder kommen mal Schnattertanten die miteinander tratschen, in die andere Richtung schauen, nuscheln und schnell reden. Dann bestellen sie auch noch gleichzeitig, wollen aber hinterher getrennt bezahlen. Das ist dann immer ganz doof, vergleichbar damit, dass man zu zweit im Aldi einkauft, dort die Waren vermischt und zusammen aufs Band legt und trotzdem getrennt bezahlen will. Bei uns ist es nämlich auch so, dass die Kunden am Tresen an einer Kasse bestellen, zahlen und wir bringen ihnen danach das Essen. In solchen Situationen mache ich immer drei Kreuze wenn die Leute endlich am Tisch sitzen. Aber die meisten Kunden sind sehr umgänglich und nett.

Relativ haeufig lese ich englische Texte und sehe mir immer wieder englische Fernsehsendungen an. Wenn dann aber einmal in der Woche auf SBS Kommissar Rex in deutscher Sprache im Fernsehen kommt lasse ich mir das auch nicht nehmen. Hier heisst er uebrigens Inspektor Rex und wird mit englischem Untertitel ausgestrahlt. Immer wieder schaue ich mir auch morgens die Nachrichten der Deutschen Welle im Fernsehen an. Fuer mich ist es jedes Mal etwas Besonderes wenn ich wieder mal etwas in meiner Muttersprache ansehen kann. Anfangs waren Boris und ich ziemlich irritiert. Immer wieder wurde im Fernsehen gesagt "Dieser Film kommt um so und soviel Uhr". Um die Zeit kamen die Filme aber nie. Bis wir dann dahinter kamen: AHA, die Zeitverschiebung zur Ostkueste betraegt ja 1.5 Stunden. Solche Probleme hatte ich in Deutschland nie ;-)

Übrigens habe ich kürzlich mal meine Chefin (eine Wahl-Alice-Springs-erin) gefragt, warum sie ausgerechnet hier lebt und was ihr hier im Herzen Australiens so gut gefällt. Geboren wurde Sie in Melbourne und ist aber schon seit vielen Jahren hier. Ich selbst konnte mir ja bisher noch keinen Reim drauf machen, wie man ausgerechnet hier freiwillig wohnen möchte. Aber ihre Argumente waren dann doch recht überzeugend: Die Temperatur ist das ganze Jahr über recht konstant. Das heißt: im Sommer ist es monatelang heiß und im Winter monatelang mild. Außerdem scheint (fast) jeden Tag die Sonne. Es gibt kaum Temperaturumschwünge so wie es ja am Meer oft ist. Was ihr auch gut gefällt ist, dass man sehr schnell in der Natur und Einsamkeit draußen ist.

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