Donnerstag, 3. Juli 2008

Arbeiten und arbeiten lassen?

Am liebsten arbeite ich entweder an dem Platz 'Meet&Greet' oder am Coffeetable. Es macht mir Spass, die Kunden bei der Auswahl ihres Kaffeebohnen zu beraten und Tasting-Touren zu verkaufen und zu erklären. Ich habe an beiden Arbeitsplätzen die Möglichkeit, viel mit Kunden zu sprechen was ich dazu nutze, mein Englisch zu verbessern. Üblicherweise arbeitet man immer an wechselnden Plätzen (im Cafe als Ordertaker, Barista oder Runner und dann gibt es noch Meet&Greet und den Coffeetable). Da ich aber bei Meet&Greet und am Coffeetable sehr gute Umsätze mache (höhere als die meisten australischen Kolleginnen), darf ich auch meist hier arbeiten.

Die Arbeit ist sehr anstrengend in der Hauptsaison und seit ein paar Tagen sind nun auch Schulferien was dazu führt, dass ich die ganze Zeit auf den Beinen bin und von A nach B bis zu C und zurück sause und dabei natürlich immer freundlich lächle. Es macht mich stolz, dass ich so viele Touren verkaufe, vor allem weil ich ja Anfangs total Angst hatte, nicht mithalten zu können weil mein Englisch nicht so gut ist wie das der Australierinnen. Keine Ahnung warum ich so viele Touren verkaufe. Wenn meine Kolleginnen Touren erklären, dann hört sich das immer superprofessionell an (The-Ultimative-Tasting-and-Treasure-Experience). So ist das ja bei mir nicht unbedingt. Ich lass halt meistens meinen Charme spielen, schwärme den Kunden von unseren feinen Schokoladen vor und sage ihnen, dass sie so viel Kaffee trinken dürfen wie sie wollen. Und dann sagt fast jeder 'ja'.

An manchen Tagen habe ich ganz nette Erlebnisse. Gestern war so ein Tag. Zuerst war da ein kleines circa zweijähriges Mädchen. Sie hatte ein fast bodenlanges weisses Kleid an und sah aus wie eine kleine Prinzessin. Total neugierig erkundete sie jede Ecke und immer mit einem spitzbübischen Grinsen im Gesicht. Am liebsten spielte sie mit Kaffeebohnen und fing immer an zu protestieren wenn ihre Eltern sie davon wieder wegholen wollten. Als ihre Eltern dann gehen wollten, stand sie am Ausgang und winkte ihren Eltern als wolle sie sagen 'tschüüühüüüsss, ich bleibe hier!'.

Dann habe ich gestern einem Ehepaar die Tastingtour erklärt. Am Ende informierte ich sie noch über unser 100-Prozent-Geld-zurück-bei-Nichtgefallen-der-Tour. Daraufhin lachte die Frau und sagte zu mir, dass die Art wie ich ihr die Tour erklärt hätte so nett war und allein das schon die 19 Dollar Eintritt Wert sei. Das hat mich ja mal richtig verlegen gemacht.

Später erzählte mir noch eine andere Frau, dass sie und ihre Familie Morgens nicht wussten, ob sie auf eine Plantage oder zu Coffeeworks gehen sollen. Schliesslich haben sie sich dann für Coffeeworks entschieden und ihre Kinder seien total begeistert. Unsere Tasting-Tour sei viiieeelll besser als mit dem Truck über eine Plantage zu fahren.

Dann gibt es aber auch andere Tage.
Das sind meist Tage an denen viel los ist und wenn wir eh schon viel Arbeit haben, schmeissen Kunden ihren Abfall auf den Boden, sie kippen Milch in die Zuckerdöschen und fassen mit ihren Fingern in die Kaffeebohnen-Schüsseln (und ich könnte wetten, dass die Leute die sowas machen auch nicht ihre Hände waschen wenn sie auf dem Klo waren). Kürzlich setzte eine Mutter ihren Hosenscheisser auf den Tresen der Kaffeebar wo dieser mit seinen Dreckpfoten alles anfassen und in den Mund stecken wollte. Der Mutter war es völlig schnuppe. Hallo??? Wir haben ja auch Hygienevorschriften und wer will einen angesabberten Löffel haben? Ausserdem hab ich schon genug zu putzen! Irgendwann hatte ich dann genug und habe das Kind dann daran gehindert sich noch weiter zu bedienen.

Manche Gäste füllen sich einen Becher mit Schokolade und lassen ihn dann irgendwo stehen. Andere 'bauen' aus unseren Schokoladenbohnen Strassen auf dem Tisch. Vor einiger Zeit habe ich im Tastinggebiet einen Schokoladentablett ausgetauscht weil da ein braunflüssiges Häufchen drin war. Igitt. Es sah so aus, als hätte jemand Schokolade gegessen und gleich wieder ausgespuckt. Und wir konnten dann die ganze restliche Schokolade wegschmeissen. Die grössten Schweine leben nicht im Stall. Solche Situationen finde ich nervend und frustrierend und dann wünsche ich mir, dass genau diese Leute selbst mal irgendwo im Service arbeiten.

Vermutlich würden sie dann so enden wie zwei meiner Kolleginnen: Wenn ein Kunde kommt, schnell wegrennen. Wenn man zu faul ist seine eigene Arbeit zu tun, einfach langsamer arbeiten und andere vorschicken ("Kannst nicht du das Liqueur-Tasting mit den Kunden machen? Die sind heute so unfreundlich"). Und dann kommen noch so Sätze wie: "Ach, heute hab ich ja grad gar keinen Bock die Touren zu verkaufen. Weisst du, ich schicke die am liebsten gleich ins Cafe!". Sowas bringt mich total auf die Palme und wäre Englisch meine Muttersprache und würde ich hier langfristig arbeiten würde ich die Beiden irgendwann mal richtig Rund machen. Wie kann man so faul und träge sein? Andererseits denke ich mir dann wieder, dass die schon sehen werden was sie davon haben. Kaum jemand dort hat je eine Ausbildung gemacht. Irgendwann heiraten sie, bekommen Kinder und arbeiten wieder Teilzeit im Cafe - ihr Leben lang. Und wenn sie mehr von Australien sehen als den Bundesstaat in dem sie leben, haben sie viel von der Welt gesehen.

Vielleicht ist das Teil der 'Easy-Going'-Mentalität hier. Nicht überanstrengen und auch nicht so viel nachdenken beim Arbeiten. Zum Beispiel hatten wir ein Problem mit unseren grossen Pump-Isolierkannen im Tasting-Gebiet. Leider gingen die Deckel immer wieder kaputt und man kann immer nur ganz Kannen kaufen aber keine Ersatzdeckel. Die Kannen sind jedoch sehr teuer. Nun stand die Frage im Raum, ob man neue Kannen anschafft. Heute dachte ich mir dann irgendwann, dass es ja wohl nicht so schwierig sein kann einen dämlichen Pumpdeckel zu flicken. Und siehe da... eine kleines Plastikstück war nicht mehr am richtigen Platz und ich musste es nur zurückstecken.

Da finde ich doch die baden-württembergische 'wir-können-alles-ausser-hochdeutsch'-Mentalität viel besser! Wir stellen in Deutschland so vieles her was funktioniert und auch noch gut aussieht. Von Haushaltsgeräten über Industriemaschinen hin zu super Autos und wir haben die besseren Handwerker. Davon kann Australien nur träumen.

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